PSYCHIATRISCHE GUTACHTER:
ANGEKLAGTE IST SCHULDUNFÄHIG!
Von: Rolf Müller, KreuznacherNachrichten.de
BAD KREUZNACH / NIEDERWÖRRESBACH (22.01.13). Im Prozess um eine 56 Jahre alte Frau aus Niederwörresbach, die ihre zweijährige Enkeltochter getötet haben soll, ging es am fünften Verhandlungstag vor der Schwurgerichtskammer am Kreuznacher Landgericht um die Frage, ob die Angeklagte zum Tatzeitpunkt, am 23. Juni des vergangenen Jahres, schuldfähig, oder vermindert schuldfähig war.
Der psychiatrische Sachverständige Professor Michael Rösler von der Universität Homburg stellte fest, dass bei der Angeklagten, nach einer magnetresonanztomographischen Untersuchung (MRT), die von Verteidiger Hardy Hollinka beantragt wurde, keine hirnorganischen Veränderungen festgestellt wurden.
Vielmehr attestierte Rösler der Angeklagten für den Tatzeitraum eine schwere Alkoholvergiftung, die zu einer vorübergehenden Psychose führte, in deren Verlauf es zum Verlust der Entscheidungsfähigkeit gekommen sei, will heißen, dass die Frau zum Tatzeitpunkt in keiner Weise mehr in der Lage war, ihr Verhalten zu erkennen und zu steuern. Bei ihr wurde ein Blutalkoholwert für den Tatzeitraum ermittelt, der bei 3,5 bis 3,7 Promille gelegen haben soll.
Unter diesen Kriterien sei von einer Schuldunfähigkeit der Angeklagten auszugehen, so Rösler. Ein Risiko, dass die Frau in Zukunft eine ähnliche Tat begehen würde, bestünde zwar, sei aber gering.
„Ich finde keine nachvollziehbare Erklärung dafür, was Ausschlag für diese Tat gewesen sein könnte“, stellte Professor Rösler in seinem Gutachten fest. Das die kleine Anna geschrien hatte, könne nicht der Grund dafür gewesen sein. In Befragungen der Nachbarn und auch in der Familie galt die Angeklagte als liebevolle Großmutter, für die Kinder war sie die „Lieblingsoma“, geprägt von Geduld, Verständnis und Wohlwollen.
Der zweite psychiatrische Sachverstandige Dr. Thomas Meyer schloss sich im Wesentlichen dem Gutachten Professor Röslers an. Auch er sprach von einem völligen Realitätsverlust der Frau zum Tatzeitpunkt.
Sie wäre sehr dankbar, wenn sie eine Therapie zugesprochen bekäme, so die Angeklagte auf Frage von dem Vorsitzenden Richter Dr. Bruno Kremer, ob sie einer solchen Maßnahme positiv gegenüber stehen würde.
Etwa eineinhalb bis zwei Jahre könne eine solche Therapie in diesem Fall in einer gschlossenen Entziehungseinrichtung dauern, so die beiden Sachverständigen.
Schließt sich die Schwurgerichtskammer des Landgerichts den Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen an und erkennt auf Schuldunfähigkeit, so wäre die Angeklagte freizusprechen.
Der Prozess wird am 25. Januar um 9 Uhr fortgesetzt. Dann sollen die Plädoyers gehalten, und möglicherweise auch schon das Urteil gesprochen werden.