STRAFE FÜR TAXIRÄUBER UM HALBES JAHR GEMINDERT
Von: Rolf Müller, KreuznacherNachrichten.de
IDAR-OBERSTEIN/BAD KREUZNACH (12.10.12). Es ist ein hochinteressantes und nicht alltägliches Urteil, das die Jugendkammer am Landgericht Bad Kreuznach gestern sprach, denn der junge Mann, der im vergangenen Jahr einen Taxifahrer überfallen, und ihm dabei das Messer an den Hals gehalten hatte, erhielt nun eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren.
Das Jugendschöffengericht Idar-Oberstein hatte den 19-Jährigen zu einer Gefängnisstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt und die Unterbringung in eine Entziehungsanstalt angeordnet. Diese Unterbringung hatte das Landgericht in seiner Entscheidung beibehalten, aber auch diese zur Bewährung ausgesetzt.
Mit dem Urteil folgte die Kammer, unter Vorsitz von Dr. Bruno Kremer, dem Antrag von Staatsanwalt Klaus Thönnessen. Vor dessen Plädoyer hatte Kremer nach einer kurzen Beratungspause darauf hingewiesen, dass die Kammer wegen der Schwere der Tat dazu tendiere, keine Bewährung au geben. Eine Bewährung kann auch nur dann gewährt werden, wenn die Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahre beträgt.
Der junge Mann hatte nach dem erstinstanzlichen Urteil Berufung eingelegt, diese aber auf den Rechtsfolgeausspruch beschränkt. Er hatte die Vorwürfe der Anklage schon vor dem Jugenschöffengericht zugegeben und hoffte nun darauf, nicht in die Jugendstrafanstalt zu müssen.
Tatvorwürfe zugegeben
So habe er sich am 31. Oktober des vergangenen Jahres, nach reichlichem Genuss von Bier und Wodka, ganz spontan zu dem Überfall entschlossen, berichtete der junge Mann. In der Mainzer Straße von Idar-Oberstein sprach er einen Taxifahrer an und lotzte ihn ganz gezielt an einen entlegenen Ort. Unter dem Vorwand, seine Geldbörse aus der Hosentasche holen zu wollen, stieg der Angeklagte dann aus dem Taxi aus, lief zur Fahrerseite, hielt dem völlig überraschten Taxifahrer ein Messer an den Hals und verlangte nach Bargeld. Als der Taxifahrer sich wehrte, stach der junge Mann mehrfach auf ihn ein. Das es zu keiner schweren, sondern laut Anklage, lediglich nur zu einer leichten Schnittverletzung gekommen war, sei der festen Kleidung zu verdanken, die der Taxifahrer der Jahreszeit entsprechend getragen hatte.
Im Verlauf des Gerangels gelang es dem Taxifahrer schließlich dem Angeklagten das Messer zu entreißen, worauf der junge Mann ohne Beute geflüchtet ist.
Bei dem Taxifahrer habe er bereits während der Verhandlung in Idar-Oberstein um Entschuldigung gebeten und der habe die Reue angenommen, so der Angeklagte.
Wodka mit 14 Jahren
Bereits mit 14 Jahren habe er begonnen härtere Sachen zu trinken, erzählte der Angeklagte vor Gericht aus seinem Leben. Als besonders schlimmen Einschnitt habe er den plötzlichen Tod seines Vaters, mit dem er sich gut verstanden hätte, empfunden. Der habe nur mal rausgehen wollen um etwas Luft zu schnappen und sei dann umgefallen. Notärzte hätten eine Stunde versucht ihn zu reanimieren. Er habe hautnah miterlebt, wie der Vater verstorben sei, so der Angeklagte.
Nach diesem Ereignis habe er sich immer mehr gehen lassen, zeitweise neben Alkohohl auch Drogen wie Aufputschmittel und Haschisch konsumiert.
Aufgefallen war der junge Mann auch schon, als er einen Zeitungsausträger mit Schlägen gedroht hatte, wenn der ihm kein Geld geben würde. „Das war alles nicht gut“, stellte der Angeklagte vor Gericht fest. Überhaupt war es für Prozessbeobachter erstaunlich, wie gut der junge Mann seine Vergangenheit reflektieren konnte.
Kehrtwende im Leben
„Ich habe eine völlige Kehrtwende in meinem Leben vollzogen“, beteuerte der Angeklagte. Mit seinem alten Bekanntenkreis habe er keinen Kontakt mehr, freue sich über die Beziehung mit seiner Lebensgefährtin und das gemeinsame Kind, das sie erwarte und außerdem gehe er einer geregelten Arbeit nach.
Was aber würde passieren, wenn der Angeklagte in eine Konfliktsituation geraten würde, wenn sich etwa die Freundin von ihm trennen, oder er die Arbeit verlieren würde, gab Richter Kremer zu bedenken. Er würde jedenfalls nicht mehr in alte Verhaltenmuster zurückfallen, sondern sich Rat suchen“, entgegnete der junge Mann.
Plädoyers:“Erziehungsgedanke vor Gefängnis“
Während sich die Jugendkammer vor Beendigung der Beweisaufnahme skeptisch zeigte, dem Angeklagten wegen der Schwere der Tat Bewährung geben zu können, war es ausgerechnet die Staatsanwaltschaft, die sich in ihrem Plädoyer dafür aussprach, dem jungen Mann noch eine Chance zu geben. „Im Jugendstrafrecht liegen die Prioritäten halt etwas anders als bei den Erwachsenen“, stellte Klaus Thönnessen dazu fest. Unter engmaschigen Auflagen Bewährung zu geben und so den neu begonnen Lebensweg des jungen Mannes zu fördern sei besser, als wenn der sich einer Zwangstherapie verweigere, schließlich im Gefängnis lande und dort vielleicht ganz untergehe.“ So sah es auch Verteidiger Klaus Übel aus Idar-Oberstein:“Für meinen Mandanten würde eine Welt zusammenbrechen, nachdem, was er in den vergangenen Monaten geleistet hat.“
Urteil:“Schwerste Entscheidung seit Langem“
„Das war die schwerste Entscheidung seit Lamgem“, befand Richter Kremer zu Beginn der mündlichen Urteilsbegründung. Der Tatvorwurf wiege einfach zu schwer. Im Jugendstrafrecht stehe allerdings der Erziehungsgedanke vor der Schwere der Tat und auch die Kammer wolle die Bemühungen des jungen Mannes nicht unberücksichtigt lassen. Es seien schon wirklich bedeutsame Gründe notwendig, um eine Freiheitsstrafe so mindern zu können, damit sie letztlich auch zur Bewährung ausgesetzt werden kann.
Allerdings sei diese Bewährung nur unter extremen Auflagen möglich. So dauere die Bewährungszeit vier Jahre. Wenn sich der Angeklagte in dieser Zeit etwas zu Schulden kommen lasse oder gegen Bewährungsauflagen verstoße, würde er sich schnell hinter Gittern wiederfinden. Für zwei Jahre werde ihm ein Bewährungshelfer an die Seite gestellt. „Der passt nicht nur auf, sondern ist bei allen möglichen Problemen, die auftauchen können, mit Rat und Tat dabei“, so Kremer. Außerdem muss der junge Mann 1.200 Euro in Raten an den Taxifahrer zahlen. Kremer: „Das ist einerseits ein kleines Schmerzensgeld für das Opfer, soll aber auch -als erzieherische Maßnahme- den Angeklagten monatlich an das erinnern, was er angerichtet hat.“
Als weitere Auflage wird dem jungen Mann jeglicher Konsum von Alkohol und Drogen untersagt. Sechs entsprechende Tests in jedem Jahr der Bewährung sollen das nachweisen. Außerdem soll sich der Angeklagte einer Selbsthilfegruppe anschließen.
„Das Gericht setzt sehr großes Vertrauen in Sie“, so Richter Kremer an den Angeklagten. „Führen Sie den eingeschlagenen Weg so weiter fort!“
Staatsanwaltschaft und der Angeklagte nahmen das Urteil an.