KLEINE GESCHICHTEN
Kurzgeschichten Kreuznacher Autoren
Brita Link:“Wortlos glücklich“
Erwartungsvoll öffne ich die alte Drehtür zu meinem Lieblingscafé. Die Tür knarrt in ihrer Verankerung als wolle sie sich beschweren, dass schon wieder ein Gast kommt.
Oft war ich hier, habe andere Kaffeetrinker beobachtet, gute Gespräche geführt mit Freunden oder Menschen, die mir fremd waren. Oft genug saß ich hier auch alleine und ließ meinen Gedanken freien Lauf.
Neugierig schaue ich auf die Kuchen und Torten in der längsten Tortentheke der Region. Treffe meine Wahl und gehe weiter.
Heute ist es fast leer hier. Verlassen stehen die Marmortischchen inmitten der Thonetstühle, auch gibt es bequeme Sessel. Wie eine Zinnsoldatenarmee wirken die Vasen mit einzelnen Blumen auf den Tischen.
Ich wähle einen Sessel, mache es mir gemütlich und bestelle mir einen Cappuccino. Der Kellner greift nach meinem Kuchenzettelchen und geht.
Die aus Ebenholz getäfelten Wände, die Jugendstilfenster, die Kristall-Lüster geben Raum die Stimmung eines Wiener Café Hauses.
Durch die Fenster wirft die Sonne ihre Strahlen auf ein junges Paar.
Sie sitzen in meiner Nähe und ich kann sie beobachten.
Hübsche junge Menschen, denke ich. Aber wieso reden sich nicht miteinander? Haben sie sich nichts mehr zu sagen? Jetzt schon nicht mehr?
Plötzlich bildet die junge Frau mit ihren Fingern einen Kreis und gestikuliert, dabei deutet sie auf ein Buch. Er liest, nickt ihr kurz zu und blättert um. Beide lesen. Zärtlich legt er den Arm um sie. Nimmt ihn wieder weg. Nun gestikuliert er mit seinen Händen, über sein Gesicht zieht ein Ausdruck von Wärme. Sie strahlt ihn an.
Diese beiden sind sich sehr nah, gestehe ich mir neidvoll ein.
Warum reden sie nicht miteinander? Ist es ein Spiel? Wollen sie provozieren? Sie schaut ihn an, lacht. Deutet mit den Händen eine Figur in die Luft. Jetzt kreuzt er seinerseits seine Hände, deutet auf ihren Mund und strahlt.
Sie errötet. Ihre Hände formen Kreise, die Finger sind gespreizt. Nun hält sie sich lachend die Augen zu.
Was mache ich? Schaue ich weg? Am liebsten würde ich ihnen einen Vogel zeigen, weil ich dieses seltsame Gestikulieren recht albern finde.
Nun kommt eine ganze Folge von Gesten, Zeichen, Pantomime und Lippenformen. Das alles in einem sehr raschen Wechsel.
Ihr Gesichtsausdruck wird immer hübscher und glücklicher. Ich kann nicht nachvollziehen, was mit ihnen passiert. Wir funktioniert diese Verständigung, ohne dass sie miteinander reden? Sie schauen sich tief in die Augen.
Da wird mir plötzlich klar, dass sie eine lebendige Sprache sprechen. Ohne Worte zu benutzen. Ohne auch nur einen Laut zu sagen. Es fasziniert mich, eine Sprache ohne Worte kann Gefühle wiedergeben und vermitteln. Eine Sprache, die ich nicht verstehe..
Der Ober bringt meinen Cappuccino und meinen Florentiner. .
Fragend schaue ich ihn an und deute mit dem Kopf auf die beiden verliebten jungen Leute.
„Gnädige Frau, Ihr Cappuccino. Sie wundern sich sicher auch. Die beiden da, ich kenne sie gut. Jede Woche sind sie hier und immer wortlos glücklich“
Ich zahle, verschämt verlasse ich das Café und trete auf die verlärmte Straße hinaus.
Mit einem Mal kommt mir alles viel lauter vor. Die Autos, die schreienden Menschen, die Flugzeuge über mir.
Das bleibt den beiden da drinnen erspart. Sie leben in ihrer Welt und sie scheinen glücklich zu sein.
DIE AUTORIN: BRITA LINK
Als Sonntagskind nach dem Krieg in der Privatklinik Martha Petschel/Oranienstr. geboren.
In Zeit der „Elisabeth Charlotte Schule, heute LiHi, entdeckte sie die Freude, Geschichten zu entwickeln und ihre Phantasie dafür.
Während ihrer Zeit bei Boehringer Ingelheim schrieb sie Sketche für Abteilungsfeste und schon kleinere Geschichten. Briefschreiben waren das große Hobby.
In der langen Phase als „Chaosmanagerin einer fünfköpfigen Familie“ war Schreiben nicht möglich. Heute, im Ruhestand, genießt sie die Freiheit, zu schreiben, wann immer sie Lust hat. Die besten Geschichten entstehen in Südfrankreich, ihrer zweiten Heimat.
Es macht ihr Freude, wenn sich eine Geschichte, gerade angefangen zu schreiben,
verselbständigt, wenn die Ideen nur so aus dem Kopf „purzeln“.