LANGERICHT VERHÄNGT VIER JAHRE UND ACHT MONATE
GEGEN GROSSMUTTER AUS NIEDERWÖRRESBACH
Von: Rolf Müller, KreuznacherNachrichten.de
BAD KREUZNACH / NIEDERWÖRRESBACH (25.01.13). Eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten wegen „vorsätzlichen Vollrauschs“ verhängte die Schwurgerichtskammer am Kreuznacher Landgericht gegen die 56-Jährige, die am Abend des 23. Juni 2012 in Niederwörresbach ihre zwei Jahre alte Enkeltochter getötet hatte.
Weder die fünf Jahre alte Schwester noch der Ehemann kommen als Täter infrage, betonte der Vorsitzende Richter Dr. Bruno Kremer in seiner mündlichen Urteilsbegründung. Alle Spuren deuteten klar auf die Großmutter hin. Eine Verurteilung wegen Totschlags kam nach Meinung des Gerichts nicht in Betracht, weil sich die Angeklagte zum Tatzeitpunkt in einem „psychischen Ausnahmezustand“ befand. Wegen einer hohen Blutalkoholkonzentration jenseits der 3 Promille sei es zu einer vorübergehenden Psychose gekommen, wie zwei Gutachter unabhängig voneinander festgestellt hatten. Die Frau habe zu dieser Zeit in einer Art von Wahnvorstellung gehandelt und sei daher schuldunfähig.
Für solche Fälle aber, in denen sich Menschen fahrlässig oder mit Vorsatz betrinken und dann Straftaten begehen, hat der Gesetzgeber den Straftatbestand des „Vollrauschs“ vorgesehen, der mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft werden kann. Darauf bezog sich Staatsanwältin Annette Boeckl mit ihrem Antrag, dem sich die Kammer in vollem Umfang anschloss. Sie ordnete die Unterbringung in eine geschlossene Entziehungseinrichtung an, wo die Angeklagte wegen ihrer Alkoholsucht eine Therapie absolvieren soll. Wie grausam die Tat, an die sich die Angeklagte nach eigenen Angaben nicht erinnern kann, gewesen ist, brachten Staatsanwältin und Richter noch einmal zum Ausdruck: Die Szenerie am Tatort habe die Polizeibeamten so berührt, dass ein Polizeipsychologe sich ihrer annehmen musste.
Ein Beamter, der unmittelbar vor seiner Pensionierung steht, hatte im Prozess diesen Fall als den schlimmsten seiner Dienstlaufbahn bezeichnet. Kremer erinnerte an das Schicksal der fünf Jahre alten Schwester der getöteten Anna. Sie hatte der Oma auf deren Bitte nicht nur das Messer aus der Küche gebracht, sondern musste auch mit ansehen, wie die Frau der Zweijährigen die Kehle durchschnitt. Dieses Erlebnis werde das Mädchen, das psychologisch betreut wird, ein Leben lang begleiten. „Ich hoffe auf eine gute Arbeit der Therapeuten, damit das Kind später einmal damit wird umgehen können“, sagte der Richter.
Die kleine Anna musste Todesängste ausstehen, als sie von ihrer Lieblingsoma, die sich sonst immer so liebevoll um die Kinder gekümmert hatte, massiv gewürgt wurde. „Ich hasse mich selbst“, sagte die Angeklagte in ihrem letzten Wort vor der Urteilsverkündung. Mit der Tat habe sie sich den schlimmsten Stoß in ihr Herz versetzt. Der Gedanke sei für sie unerträglich, dass ihre Familienangehörigen wegen ihrer Tat so leiden und weinen müssen. Sieben Monate hat die 56-Jährige inzwischen in Untersuchungshaft verbracht. Wenn sie die Therapie, die im Durchschnitt zwei Jahre dauert, erfolgreich abschließt, kann der Strafrest zu Bewährung ausgesetzt werden. Die Angeklagte müsste dann nicht ins Gefängnis.