DEHEIMER UND DIE US-PRÄSIDENTENWAHL
Wahlkampf in den USA wirkt auf Europäer bizar.
Teilweise verkitscht, teilweise verlogen und insgesamt eher lächerlich. Trotzdem scheint mir die Inszenierung realistischer, als unsere Rituale.
Bei uns sind einige Tausender Rednerhonorar ein Politikum. Dort drüben kassiert ein Kandidat millionenschwere Einzelspenden und versucht erst gar nicht, zu kaschieren, dass er vom Kapital anderer abhängig ist.
Hierzulande hält man stur an der Illusion fest, ein Politiker stehe für ein Programm. In den USA wird öffentlich diskutiert, mit welchem Strategiewechsel sich welche Wählerschicht erobern lässt.
Solange es im Vorwahlkampf um die parteiinterne Nominierung geht, gibt sich ein Herausforderer radikal (gegen Schwule, gegen Abtreibung, für Waffen). Kaum ist er zum Kandidaten gekürt, schwenkt er um, weil er die Stimmen der politischen Mitte zum Wahlsieg braucht. Das ist pragmatisch bis zum Erbrechen, aber auch grundehrlich.
Augenwischerei und Wählertäuschung, Kerndisziplinen des politischen Geschäfts, werden dermaßen sichtbar zelebriert, dass keinem Bürger seine Rolle als dummes Stimmvieh verborgen bleiben kann.
Der Hauch von Anstand, den wir noch von Regierenden erwarten, ist jenseits des Atlantiks längst als Farce entlarvt. Deshalb wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis auch bezüglich unserer politischen Führung Gewissheit wird, was hinsichtlich der amerikanischen Präsidenten schon lange gilt: Wem es gelingt, in dieses Amt zu gelangen, der ist moralisch viel zu korrumpiert, um es auszufüllen.