Mainz
„WIR DANKEN DIR FÜR DEIN GROßES LEBENSZEUGNIS“
>>> Kardinal Lehmann in der Bischofsgruft des Mainzer Domes beigesetzt
Quelle: Bischöfliche Pressestelle Mainz / Alexander Matschak
Fotos: © Bistum Mainz / Matschak
MAINZ (21.03.18) – Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat den verstorbenen Kardinal Karl Lehmann als einen Menschen gewürdigt, der „wie nur wenige in seiner Person und in seinem Wirken die wissenschaftliche Theologie, den priesterlichen und bischöflichen Dienst mit der Seelsorge, der Zuwendung zu den Menschen“ verbunden habe.
„Nicht umsonst nennen die Menschen aus der Diözese Mainz ihn ,unseren Karl‘. Er konnte mit allen umgehen: mit den so genannten einfachen Menschen und mit den gesellschaftlich, kirchlich und politisch Einflussreichen“, sagte Kohlgraf in seiner Predigt im Requiem für Kardinal Lehmann.
Das Requiem für Lehmann fand heute Nachmittag im Mainzer Dom statt.
Lehmann war am Sonntag, 11. März, im Alter von 81 Jahren verstorben.
Kohlgraf ging in seiner Predigt auch auf das Geistliche Testament von Lehmann ein.
Dort heißt es unter anderem: „Wir haben uns alle, gerade in der Zeit nach 1945, tief in die Welt und das Diesseits vergraben und verkrallt, auch in der Kirche.“
Dieser Satz scheine ihm „in seiner Kürze und Prägnanz geradezu prophetisch zu sein“, betonte Kohlgraf: „Die Versuchung wird nicht geringer, alles planen und machen zu wollen, als sei das Entscheidende die Verwaltung, die Planung, der materielle Besitz. Insofern mahnt uns unser verstorbener Kardinal, zunächst ganz aus dem Glauben, der Hoffnung und der Liebe zu leben, bevor wir zu ,machen‘ beginnen. Die Quellen dürfen nicht vergessen werden, die uns wirklich Leben schenken. Mögen wir diese Mahnung nicht vergessen, auch auf den zukünftigen Wegen der Kirche.“
Weiter sagte Kohlgraf, dass es zu Gott unendlich viele Wege gebe. Daher müsse auch die Theologie vielfältig, Glaubenserfahrungen den unterschiedlichen Menschen möglich sein: „Glaube hat nichts Enges oder Uniformes.“
„Ein eigenes festes Glaubensfundament braucht die Offenheit, die geistige Weite. Die Offenheit braucht den Glauben, damit sie nicht beliebig wird. Wir danken dem Theologen und Bischof Karl Lehmann, dass er diese Spannung überzeugend gelebt hat. Er ermutigt uns, auf diesem Weg weiter zu gehen: Klare Position im Glauben, Offenheit im Denken und Reden“, betonte der Mainzer Bischof.
LEHMANN WAR EIN LEBEN LANG BRÜCKENBAUER
Lehmann habe sein Leben lang „Brücken zwischen Vernunft und Glaube und zwischen den einzelnen, oft polarisierten Gruppen innerhalb der Kirche“ gebaut.
Er sei zudem von evangelischen und orthodoxen Christen ebenso verehrt und geschätzt worden wie von Katholiken.
„Diese Grundhaltung hat ihm viel Sympathie eingebracht, aber auch Gegenwind hervorgerufen. Wer sich dem Leben stellt und Wahrheit nicht nur als satzhafte Wahrheiten versteht, die unberührt von allem bleiben müssen, muss Kritik einstecken“, sagte Kohlgraf.
Lehmann habe nicht gewollt, dass die Brücken zwischen Kirche und Welt eingerissen werden. „Und die Brücken müssen von beiden Seiten aus gebaut werden. Die Kirche steht nicht auf einer Insel, und die Welt müsste dann selbst sehen, wie sie eine Verbindung schafft. Nein, die Kirche muss sich auf die Menschen zubewegen. Es verwundert nicht, dass Kardinal Lehmann Papst Franziskus in diesem Bemühen sehr unterstützt hat“, sagte Kohlgraf.
Der Mainzer Bischof schloss seine Predigt mit den Worten: „Lieber Kardinal Karl, ich glaube, dass wir uns wiedersehen. Wir beten für Dich, wir danken Dir für Dein großes Lebenszeugnis, aber segne Du auch uns! Mich als Deinen Nachfolger, alle Menschen in unserem Bistum, für die Du gelebt und gearbeitet hast.“
Ein Schreiben von Papst Franziskus verlas am Ende des Gottesdienstes der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Nikola Eterović.
In dem Schreiben heißt es unter anderem: „In seinem langjährigen Wirken als Theologe und Bischof wie auch als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz hat Kardinal Lehmann das Leben von Kirche und Gesellschaft mitgeprägt. Stets war es sein Anliegen, offen zu sein für die Fragen und Herausforderungen der Zeit und von der Botschaft Christi her Antwort und Orientierung zu geben, um die Menschen auf ihrem Weg zu begleiten und über die Grenzen von Konfessionen, Überzeugungen und Ländern hinweg das Verbindende zu suchen.“
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx (Erzbistum München und Freising), sagte in seinem Wort des Abschieds: „Heute verneigen wir uns vor ihm, dem geschätzten Mitbruder und Freund. Ein großer Theologe, Bischof und Menschenfreund ist von uns geschieden. Mit seinem Tod verlieren wir einen warmherzigen und menschlichen Bischof.“
Die Deutsche Bischofskonferenz sei Lehmann zu großem Dank verpflichtet. Kardinal Lehmann habe in der Deutschen Bischofskonferenz Höhen und Tiefen erfahren.
„Es ging ihm immer wieder um die Frage, wie eine menschendienliche und zugleich traditionsverpflichtete Kirche beschaffen sein sollte. Die persönliche Wertschätzung, die er jedem Gesprächspartner gegenüber zeigte, sein unglaubliches Gedächtnis – Karl Lehmann vergaß nichts – und seine theologische Weite waren glückliche Stärken, die er in unsere Bischofskonferenz einbrachte“, sagte Marx. Weiter sagte er: „Mit Karl Lehmann verlässt uns ein katholischer Weltbürger, auskunftsfähig zu allen Themen der Zeit. Wir trauern um einen großartigen Menschen, eine wegweisende Persönlichkeit und einen gläubigen Katholiken, der sein Leben ganz nach Gottes Plan für ihn lebte und sich mit ganzer Hingabe dem Auftrag Christi und dem Dienst der Kirche gewidmet hat. Er wird uns fehlen.“
Der Vorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Professor Dr. Heinrich Bedford-Strohm, sagte in seinem Nachruf, dass der heutige Tag „auch für uns als Evangelische Kirche ein schwerer Tag“ sei. „Wir nehmen Abschied von einem Mann, der nicht nur ein großer Theologe und ein wacher Zeitgenosse war, sondern mit seinem weiten Herzen auch unsere Seele berührt hat. Sein Herz war einfach zu weit, um in irgendwelche konfessionellen Korsette zu passen. Gerade weil er die Theologie so ernst nahm, hat er sich nie mit der Trennung der Kirchen abgefunden und ökumenisch wegweisende theologische Denkarbeit geleistet. Auch in ökumenisch angespannten Zeiten hat er sich nie beirren lassen, war immer für unsere Evangelische Kirche ein verlässlicher Ansprechpartner, ein Freund, ein ökumenischer Mitstreiter“, sagte Bedford-Strohm, der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern ist.
1.300 MENSCHEN IM MAINZER DOM
Rund 1.300 Menschen feierten im Mainzer Dom das Requiem für den verstorbenen Kardinal Lehmann; der Dom war während des Gottesdienstes geöffnet.
Darüber hinaus verfolgten über 1.200 Gläubige den Gottesdienst auf dem Mainzer Liebfrauenplatz auf einer Leinwand; auch im Kreuzgang des Mainzer Domes waren Monitore aufgestellt, wo Menschen den Gottesdienst verfolgten.
Nach dem Gottesdienst wurde Kardinal Lehmann in der Bischofsgruft des Mainzer Domes beigesetzt.
Zahlreiche Kardinäle und Erzbischöfe waren gekommen, Konzelebranten des Gottesdienstes waren neben Kardinal Marx und Erzbischof Eterović
Kardinal Gerhard Ludwig Müller, Bischof Gebhard Fürst (Bistum Rottenburg-Stuttgart), Bischof Dr. Ulrich Neymeyr (Bistum Erfurt), der Mainzer Weihbischof Dr. Udo Markus Bentz, Generalvikar Dr. Axel Mehlmann (Erzbistum Freiburg), der Mainzer Domdekan Prälat Heinz Heckwolf, der langjährige Generalvikar von Kardinal Lehmann, Domkapitular em. Prälat Dietmar Giebelmann, sowie Dr. Wilfried Hagemann (früherer Kurskollege von Kardinal Lehmann) und Dekan Wolfgang Bretz (Dekanekonferenz) und Pfarrer Markus Konrad (Priesterrat).
Darüber hinaus kamen fünf weitere Kardinäle: Kardinal Friedrich Wetter, der niederländische Kardinal Adrianus Johannes Simonis, Kardinal Walter Kasper, Kardinal Rainer Maria Woelki und Kardinal Karl-Josef Rauber.
Gekommen waren acht Erzbischöfe sowie rund 30 weitere Bischöfe und Weihbischöfe.
Auch der Pfarrer von Lehmanns Titelkirche in Rom (San Leone I), Monsignore Vito Di Nuzzo, nahm an dem Gottesdienst teil.
BACH, MOZART, MENDELSSOHN ERKLANGEN
Musikalisch gestaltet wurde das Requiem vom Mainzer Domchor, dem Mädchenchor am Dom und St. Quintin sowie dem Mainzer Domorchester und den Mainzer Dombläsern unter Leitung von Domkapellmeister Karsten Storck.
Sie musizierten unter anderem Teile aus dem Requiem in d-Moll von Wolfgang Amadeus Mozart und den Choral „Jesus bleibet meine Freude“ in der Vertonung von Johann Sebastian Bach.
Domorganist Professor Daniel Beckmann an der Orgel des Mainzer Domes brachte unter anderem die Partita über den Choral „Christus, der ist mein Leben“ von Johann Pachelbel und Teile aus der ersten Orgelsonate „Was mein Gott will, das g’scheh allzeit“ von Felix Mendelssohn Bartholdy zu Gehör.
Professor Julius Berger und seine Frau Hyun-Jung Berger, beide enge Freunde von Kardinal Lehmann, spielten zudem ein Praeludium für zwei Violoncelli von Johann Sebastian Bach.
Der Gottesdienst war live vom SWR-Fernsehen übertragen und im Internet gestreamt worden; auch auf der Internetseite heute.de des ZDF wurde der Gottesdienst live gestreamt.
Das Requiem war zudem im Fernsehprogramm des Hessischen Rundfunks (HR) und des Saarländischen Rundfunks (SR) zu sehen. Der Stream war darüber hinaus auf der Internetseite des Bistums Mainz und beim Online-Portal katholisch.de zu sehen.
TRAUERZUG DURCH DIE MAINZER ALTSTADT ZUM DOM
Vor dem Beginn des Requiems war der Sarg mit Kardinal Lehmann in einem Trauerzug von der Seminarkirche zum Mainzer Dom überführt worden.
Viele hundert Menschen säumten den Weg des Trauerzuges, der von der Seminarkirche über die Augustinerstraße, Leichhof, Schöfferstraße, Höfchen sowie die Domplätze zum Bischofsportal am Liebfrauenplatz führte.
Der Trauerzug begann mit einem Gebet in der Seminarkirche. Anschließend wurde der Sarg in einen Wagen mit einem Glasaufsatz gebracht; gefahren wurde der Wagen von Klaus Ritzheim, seit 2001 Fahrer von Kardinal Lehmann.
Vor dem Wagen gingen die drei letzten Bischofskapläne von Kardinal Lehmann: Michael Leja, Johannes Zepezauer und Tonke Dennebaum, die die Bischöflichen Insignien trugen – neben Evangelienbuch und Mitra einen Bischofsstab, der zum Zeichen der Trauer mit der Krümme nach unten gehalten wurde.
Der Trauerzug, der von rund 350 Personen gebildet wurde, zog schweigend durch die Straßen der Stadt, allein die Martinus-Glocke, die größte Glocke des Mainzer Domes, läutete.
Kardinal Lehmann war von Dienstag, 13., bis Dienstag, 20. März, in der Seminarkirche in der Augustinerstraße aufgebahrt gewesen, wo Tausende Menschen von ihm Abschied genommen hatten.
BUNDESPRÄSIDENT STEINMEIER BEIM REQUIEM
An dem Requiem nahm auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier teil.
Steinmeier hatte sich bereits am Montag, 19. März, gemeinsam mit seiner Ehefrau Elke Büdenbender in die Kondolenzlisten in der Mainzer Seminarkirche eingetragen.
Der Eintrag Steinmeiers lautet: „Mit vielen Menschen in Deutschland und in der Welt trauere ich um Kardinal Lehmann. Sein fester Glaube, seine intellektuelle Kraft, seine Weisheit und seine menschliche Bescheidenheit haben mich immer tief beeindruckt. Jedes Gespräch mit ihm war eine Bereicherung. Kardinal Lehmann war ein Mann klarer Worte und des Dialogs, der mir in unruhiger Zeit Orientierung und Maßstäbe vermittelt hat. Wir werden ihn nicht vergessen.“
Von Seiten der Politik nahmen darüber hinaus unter anderen Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner sowie Ministerpräsidentin Malu Dreyer (Rheinland-Pfalz), die Ministerpräsidenten Volker Bouffier (Hessen) und Winfried Kretschmann (Baden-Württemberg) sowie der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling am Requiem teil.
Gekommen waren auch der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert sowie die früheren Ministerpräsidenten Bernhard Vogel und Roland Koch sowie die deutsche Botschafterin beim Heiligen Stuhl, Annette Schavan, der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, und Irmgard Schwaetzer, Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).