23.09.15 – KH – RöKa: Vom Klassenzimmer in die Werkstatt

 

 

Bad Kreuznach
VOM KLASSENZIMMER IN DIE WERKSTATT
>>> Für 70 Neuntklässler des Gymnasiums am Römerkastell begann der „Unterricht“ mit einem praktischen Einblick in spannende Handwerksberufe

 

Quelle: Kreishandwerkerschaft Rhein-Nahe-Hunsrück (Marianne Reuter-Benz)

 

BAD KREUZNACH. Kaum hat nach den Ferien die Schule wieder begonnen, da tauschten 70 Schülerinnen und Schüler des Römerkastell-Gymnasiums direkt ihre Klassenzimmer mit der Werkstatt.

Im Berufsbildungszentrum der Handwerkskammer (HwK) Koblenz lernten sie ganz praktisch, wie sich verschiedene Handwerksberufe „anfühlen“: Die Jugendlichen schreinerten Werkzeugkästen aus Holz, sägten Lesezeichen aus Metall, bohrten Stifthalter, zerlegten sogar ein ganzen Automotor in seine Einzelteile – und setzten ihn wieder zusammen. Und entdeckten dabei, dass handwerkliches Arbeiten ganz schön Spaß machen kann!

Hier konnten die jungen Handwerker/innen ihre „Arbeitsproben“, die sie mit Bäckermeister Heiko Heintz geknetet, geformt, belegt und gebacken hatten, beim Aufessen direkt testen: Während Pizza und Hörnchen den Gymnasiasten sehr gut schmeckte, fanden sie allerdings das frühe Aufstehen der Bäcker weniger cool.

Zum vierten Mal waren Schüler und Schülerinnen der Klassen 9 c, d und e des Gymnasiums am Römerkastell zu Gast in den Werkstätten des HwK-Zentrums. Auch der neue Schulleiter, Studiendirektor Ludger Föhrenbacher, der mit Studiendirektorin Ildikó Huck ins BBZ gekommen war, schaute sich den „Praxistest“ für die angehenden Abiturienten gerne an.

Die berufliche Orientierung sei für ihn auch auf dem Gymnasium ein pädagogischer Schwerpunkt: „Schule soll nicht nur aufs Studium, sondern auch auf eine Berufsausbildung gut vorbereiten“, fordert er. Als „außerschulischer Lernort“ gäben die HwK-Werkstätten einen spannenden Ersteindruck von der handwerklich geprägten Arbeits- und Berufswelt.

Physik-Unterricht am praktischen Beispiel: In der Elektrowerkstatt installierten die „hellen Köpfe“ einen Stromkreis und beleuchteten die praktische Seite des anspruchsvollen Elektroniker-Berufs. „Eine ziemliche Friemelei“, kommentierte Tobias.

Ganz anders als auf Ausbildungsmessen: „Dort ist es wie im Aquarium: man guckt ein bisschen und geht weiter.“ Gymnasiasten hätten Handwerksberufe oft „überhaupt nicht auf dem Schirm“, stellt Föhrenbacher fest. Umso wichtiger sei es, hier in den Werkstätten erste „Likes“ zu entwickeln.

Dem konnte Zentrumsleiter Dr. Lothar Greunke nur zustimmen. In den Workshops sammelten die Schüler erste Erfahrungen mit praktischer Handarbeit: „Ich kann das ja!“ gehört zu den positiven Erfahrungen und bewirkt ein nachhaltiges „gefällt mir“ der jungen Menschen nach ihrer ersten Arbeitsprobe.

Im kreativen Handwerk entdeckten die jungen Gymnasiasten ihr eigenes handwerkliches Geschick. In der Fliesenleger-Werkstatt war auch Phantasie gefragt.

Damit die Tür zum Handwerk offener bleibt, soll das Workshop-Erlebnis allerdings im Schulalltag übernommen werden, schlägt Föhrenbacher vor. Dort sollen die Gymnasiasten auch Anregungen bekommen, Ferienpraktika im Handwerksbetrieb zu machen und Bewerbungen schreiben lernen. „Wir müssen unseren Blick als Schule ausweiten. Eine handwerkliche Karriere ist nicht nur für Abgänger nach der zehnten Klasse interessant!“

Für das Handwerk, das oft fehlende Ausbildungsreife der Jugendlichen in anspruchsvollen Berufen beklagt, sind Gymnasiasten und auch Studienabbrecher willkommener Nachwuchs, warb Obermeister Paul Gerhard Wagner von der Innung für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik.

Für die Autofans Maciej, Daniel und Jerome erfüllte sich in der Kfz-Werkstatt ein Traum. „Wir haben einen ganzen Motor auseinandergenommen und wieder zusammengebaut!“ begeisterte sich der 14-jährige Daniel. Ein herzliches Danke sagten „die Schrauber“ dem HwK-Zentrum und vor allem Ausbilder Bernhard Fröhlich, der gutgelaunt die Begeisterung der jungen Menschen teilte.

Andersherum könnten begabte junge Gymnasiasten auch nach handwerklichen Lehr- und Meisterjahren studieren, fügt Geschäftsführer Gerhard Schlau von der Kreishand­wer­kerschaft Rhein-Nahe-Hunsrück hinzu. Handwerk sei keine Sackgasse, sondern eröffne eine Vielzahl von individuellen Karrieremöglichkeiten.

Viele Schüler/innen hielten das erste Mal in der Goldschmiede-Werkstatt eine Säge in der Hand. Hier war neben Kreativität präzises, konzentriertes Arbeiten angesagt.

Zum Ende des Teilprojektes „Arbeitserprobung“ lud Zentrumsleiter Dr. Greunke die Schüler/innen  zur Ausbildungsmesse Handwerk am 26. September, 9 Uhr in der HwK-Einrich­tung ein. Dort würden 30 verschiedene Berufe präsentiert, über Aus- und Weiterbildung im Handwerk beraten. Er regte die Teilnahme an der Handwerksrallye und am Schul-Homepage-Wettbewerb an.

Auch die Mädchen bekamen einen praktischen Einblick in die traditionellen Handwerksberufe, in denen sonst meistens Jungen das Sagen haben. In der Metallwerkstatt fertigten die Gymnasiasten Stifthalter an. „Voll schöne Sachen“ könne man hier machen, fand die 14-jährige Michelle.

Stolz präsentierten die Gymnasiasten in der Tischler-Werkstatt ihre Werkzeugkisten: „Schön, was wir alles heute erreicht haben“, freute sich die schulische Projektleiterin Studiendirek­torin Ildikó Huck vom Röka-Gymnaisum.