08.11.15 – KH – Flüchtlinge sind Fachkräfte von morgen

 

 

Bad Kreuznach
FLÜCHTLINGE SIND FACHKRÄFTE VON MORGEN
>>> Handwerk bietet Ausbildungs- und Arbeitsplätze an
>>> Arbeitsagentur informierte die Innungs-Obermeister bei der AOK

 

Quelle (auch Foto): Kreishandwerkerschaft Rhein-Nahe-Hunsrück (Marianne Reuter-Benz)

 

BAD KREUZNACH. „Die Flüchtlinge sind unsere Fachkräfte von morgen.“ Für Horst Jubileum, Geschäftsführer Operativ der Agentur für Arbeit Bad Kreuznach, brauchen Arbeitgeber in der Region die zugewanderten Mitbürger.

 Vor allem Handwerksbetriebe hoffen auf beruflichen Nachwuchs aus diesen Reihen. Sachliche Infos und Impulse bekamen die Obermeister der Handwerksinnungen jetzt bei einem Treffen mit Arbeitsvermittlern und Ausbildungsberatern in der AOK.

„Wir brauchen aus erster Hand sachlich richtige und praktikable Infos“, wünschten sich Kreishandwerksmeister Peter Mumbauer und Alfred Wenz von den Experten.

Handwerksmeister, Arbeitsvermittler und Ausbildungsberater ziehen an einem Strang. Von links: Migrationsbeauftragter Ghandi Eleyow, Geschäftsführer Horst Jubileum, Bezirksgeschäftsführer Werner Straßer von der gastgebenden AOK, Kreishandwerksmeister Peter Mumbauer und Alfred Wenz, sowie Geschäftsführer Gerhard Schlau von der Kreishandwerkerschaft Rhein-Nahe-Hunsrück

Bezirksgeschäftsführer Werner Straßer von der AOK begrüßte den ersten fachlichen Austausch als Impuls für ein neues Netzwerk. Und er räumte gleich selbst mit ein paar Gerüchten auf:  „Flüchtlinge in den Aufnahmeeinrichtungen oder auch später in den Kommunen erhalten eine medizinische Basisversorgung. Sie werden in Notfällen und bei Schmerzen medizinisch zu Lasten des Steuerzahlers versorgt, das heißt, die Kosten tragen die Sozialhilfeträger und  nicht die  Krankenkassen.  Das ändert sich auch dann nicht, wenn für Flüchtlinge ab 2016 die elektronische Gesundheitskarte kommt. Dann leisten zwar die Krankenkassen im Auftrag, aber sie bekommen die Kosten vom Staat ersetzt.“

Ansonsten gelten für Asylberechtigte und Asylbewerber, die eine Ausbildung beginnen oder ein Arbeitsverhältnis aufnehmen, die üblichen Regelungen der Kranken- und Sozialversicherung.

Im Landkreis Bad Kreuznach sind bislang rund 1.500 Asylbegehrende aufgenommen worden, im Landkreis Rhein-Hunsrück 950 und im Landkreis Birkenfeld 550, berichtete Ghandi Eleyow, Migrationsbeauftragter der Arbeitsagentur und selbst gebürtiger Syrer.

Die Flüchtlingsflut „hat uns einfach überrollt“, machte Horst Jubileum deutlich. Erst jetzt greifen Maßnahmen, die eine „ordentliche Struktur aufbauen“.

Asylsuchende sollen schnellstmöglich in Arbeit, brauchen aber noch viel Zeit zur sprachlichen und sozio-kulturellen Integration. Aber, so Jubileum, die Asylverfahren werden beschleunigt. Sprach- und Integrationskurse fangen früher an.

Auch können sich Asylbewerber und geduldete Ausländer nach drei Monaten um eine Arbeitsstelle bewerben und anerkannte Asylbewerber sogar ab sofort. Horst Jubileum und der Migrationsbeauftragte Reimund Meiborg vom Jobcenter erwarten bereits im Frühjahr 2016 jede Menge Arbeitssuchende im Jobcenter.

Die Hoffnungen der Handwerksmeister sind groß. Suchen sie doch fast alle händeringend nach motiviertem beruflichen Nachwuchs, qualifizierten Fachkräften oder einfach nur fleißigen Helfern. Skepsis ist aber weit verbreitet, denn Sprachkenntnisse und anerkanntes Fachwissen fehlen.

Deshalb haben die Handwerker aus ihrer Berufspraxis und Erfahrung ein „Ausbildungsmodell“ für Flüchtlinge entwickelt: ein Jahr Sprach- und Integrationskurse, drei Jahre Ausbildung in Betrieb und Berufsschule und zwei Jahre anschließende Beschäftigung. „Das finde ich gut“, stimmte Horst Jubileum von der Arbeitsagentur zu.

Wer junge Menschen aus Ländern ausbilden will, die eine gute Bleibeprognose haben, hat gute Chancen. Für eine Berufsausbildung im dualen System müsse zwar die Ausländerbehörde zustimmen, informierte Ghandi Eleyow, aber dafür entfalle die Vorrangprüfung des Arbeitsamtes.

Die Ausbildung darf auch bei abschlägigem Bescheid des Asylantrags zu Ende geführt werden. Für solche jungen Flüchtlinge, die noch nicht wissen, welche Ausbildung sie machen möchten, biete sich ein Orientierungspraktikum bis zu drei Monaten an. Auch Langzeitpraktika zur Einstiegsqualifizierung werden gefördert, allerdings müssten auch hier die jungen Flüchtlinge zwingend zur Berufsschule angemeldet werden.

Für erwachsene Arbeitssuchende bietet sich das unterstützte sechswöchige Probearbeiten (Maßnahme beim Arbeitgeber) an, das bei der Arbeitsagentur beantragt wird.

„Das duale Ausbildungssystem ist den meisten Flüchtlingen ganz fremd“, weiß Migrationsbeauftragter Ghandi Eleyow. Da könne die assistierte Ausbildung (AsA) helfen, die ab 2016 nach einer Aufenthaltsdauer von nur 15 Monaten statt wie jetzt erst nach vier Jahren in Anspruch genommen werden kann. „Da ist auch noch Luft nach oben“, ermuntert Horst Jubileum: Erst vor kurzem wurde das Programm auf 62 Plätze erweitert.